Achtsamkeitsmeditation ist zurzeit in aller Munde. Jetzt fanden deutsche Forscher heraus, dass Menschen, die Transzendentale Meditation ausüben, noch achtsamer und aufmerksamer sind als Personen, die Achtsamkeitsmeditation praktizieren, obwohl sie dafür weit weniger Zeit investieren.
Das jedenfalls ist das Ergebnis zweier Studien mit 40 bzw. 84 Teilnehmern, die von einer Forschergruppe um Karin Meissner vom Institut für Medizinische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München und dem Freiburger Psychologen und Zeitforscher Marc Wittmann an den Universitäten München, Freiburg, Frankfurt und Coburg durchgeführt und im Januar und Oktober 2015 veröffentlicht wurden.
Direkt mit TM-Meditierenden befasste sich eine Studie zum Thema »Zeitwahrnehmung, Achtsamkeit und Aufmerksamkeit bei transzendental Meditierenden und Kontrollpersonen«, die vom Fachmagazin Personality and Individual Differences veröffentlicht wurde.Ref.Personality and Individual Differences, Schötz E. et al., Time perception, mindfulness and attentional capacities in transcendental meditators and matched controls, April 2016(93) (16–21)
Zur Studie zugelassen waren Meditierende, die TM »regelmäßig« praktizierten, wozu aus Sicht der mit TM nicht vertrauten Versuchsleiter insgesamt 2 Stunden Praxis während der letzten 8 Wochen genügten. Korrekt ausgeübt wird TM zweimal täglich für je 15–20 Minuten; die durchschnittliche Praxisdauer der TM-Gruppe betrug rund 4,25 Stunden pro Woche.
Die Kontrollgruppe verfügte über keinerlei Meditations- oder Yoga-Erfahrung. In Geschlecht, Alter und Bildung waren beide Gruppen vergleichbar.
Die untersuchten Personen hatten mehrere psychologische und perzeptive Aufgaben zu bewältigen: unter anderem die korrekte Wiedergabe wahrgenommener Zeitspannen sowie die korrekte Schätzung längerer und kürzerer Zeitperioden (Minuten bis Millisekunden).
Das Ergebnis: TM-Meditierende sind bei der Aufgabe, Zeitspannen zu reproduzieren, zu schätzen und zu unterscheiden, präziser als Nicht-Meditierende. Die Ergebnisse zeigen, so die Autoren der Studie, dass Achtsamkeit nicht nur durch Achtsamkeitsmeditation verbessert werden kann, sondern »auch durch eine Meditationstechnik, die den Strom alltäglicher Gedanken herunterfährt und dadurch zu größerer Bewusstheit im Alltagserleben führt«.
Diese Grafik zeigt, dass die Kontrollgruppe und die Testpersonen, die Achtsamkeitsmeditation praktizierten, die objektive Zeitspanne von achtzig Sekunden als viel länger einschätzten. Die Balken ihrer Zeitschätzung ragen weit über die objektive Zeit hinaus. TM-Ausübende dagegen waren dagegen in der Lage, die vergangene Zeit sehr präzise einzuschätzen.
Diese Grafik zeigt, dass die Ungenauigkeit in der Wahrnehmung kurzer Zeitspannen bei der TM-Gruppe viel geringer ist als bei Achtsamkeit und bei der Kontrollgruppe.
Parallel beschäftigte die Forscher die Frage, inwieweit Personen, die Achtsamkeitspraktiken üben, Zeit ebenfalls präziser wahrnehmen können. Mit dieser Frage beschäftigte sich eine im Januar 2015 veröffentlichte Studie. 42 Personen praktizierten Achtsamkeit. Die in Alter, Bildung und Geschlecht vergleichbare 42-köpfige Kontrollgruppe verfügte erneut über keinerlei Meditationserfahrung.Ref.Frontiers in Psychology, Wittmann M. et al., Subjective expansion of extended time-spans in experienced meditators, 14. Januar 2015
Hier zeigte sich, dass zwar die subjektive Einschätzung von Zeit bei Achtsamkeits-Meditierenden und Nicht-Meditierenden deutliche Unterschiede aufwies. So tendierten die Achtsamkeitsprobanden dazu, Zeit subjektiv deutlich langsamer wahrzunehmen als Nichtmeditierende. Sowie es aber an die psychophysiologischen Aufgaben ging, die Auskunft geben über die objektive Präzision der Wahrnehmung, wiesen beide Gruppen keine signifikanten Unterschiede auf. Mit anderen Worten: Wer Achtsamkeitsmeditation praktizierte, verfügte nicht automatisch über eine präzisere Zeitwahrnehmung, sondern schnitt sehr ähnlich ab wie die Nicht-Meditierenden: ganz im Gegensatz zu der ersten Studie, die insbesondere bei erfahreneren TM-Meditierenden deutliche Verbesserungen in der objektiven Zeitwahrnehmung ergab.
Diese Ergebnisse zeigen, dass TM trotz weniger Zeitaufwand besser abschneidet als Achtsamkeit. Während die Probanden pro Woche durchschnittlich mit TM 4,25 Stunden meditierten, investierte die Gruppe der Achtsamkeitsmeditation durchschnittlich 7,4 Stunden pro Woche. Das ist vor allem für Gutverdiener mit Spitzenlohn ein wichtiges Kriterium bei der Kosten-Nutzen-Kalkulation.
Quellen:
Schötz E. et al., Time perception, mindfulness and attentional capacities in transcendental meditators and matched controls. Personality and Individual Differences, April 2016 (93), 16–21. DOI: 10.1016/j.paid.2015.10.023
Wittmann M. et al., Subjective expansion of extended time-spans in experienced meditators. Frontiers in Psychology, 14. Januar 2015. DOI: 10.3389/fpsyg.2014.01586